Krieg in Europa – Aktives Bonitätsmanagement im Depot-A wichtiger denn je

Angesichts des menschlichen Leids fällt es schwer, nüchtern und faktenorientiert über die Auswirkungen des militärischen Konflikts zwischen Russland und der Ukraine zu berichten. Selten aber war ein aktives Bonitätsmanagement der Eigenanlagen so wichtig wie im ersten Quartal diesen Jahres. Die in der KC Risk AG zum Einsatz kommenden Instrumente zur frühzeitigen Risikowahrnehmung haben funktioniert. Somit konnten wir erkennen, dass sich die Risikoprämien auf russische Staatsanleihen und Gasversorger schon Ende Januar ausweiteten. Unvorstellbar erschien uns jedoch – wie auch vielen anderen Marktteilnehmern – das Szenario eines Angriffskrieges gegen einen souverän geführten und demokratisch gewählten Staat. Die unmittelbar im Anschluss verabschiedeten internationalen Wirtschaftssanktionen waren konsequent, aber beispiellos. Insofern überwiegt unter den Marktteilnehmern noch immer die Sorge vor einer drohenden Zahlungsunfähigkeit des russischen Staates und seiner staatsnahen Unternehmen. Fakt ist zur Stunde aber auch, dass die jüngsten Kuponzahlungen auf Anleihen von Gazprom & Co in der vertraglich vereinbarten Währung und Höhe geflossen sind. Dabei kann es sich natürlich nur um eine Momentaufnahme handeln, da keiner abzuschätzen weiß, ob der Gashahn nicht doch komplett zugedreht wird. Die Nachrichtenlage hierzu ändert sich nahezu täglich. Auch das jüngste russische Dekret vom 31.03.2022, das Energieabnehmer zur Zahlung in Rubel verpflichten soll, ändert daran vorerst nichts. Russland wird demnach einen Weg finden, an den stark gestiegenen Rohstoffpreisen partizipieren zu können, auch wenn die Devisenreserven der russischen Zentralbank eingefroren sind.

Im Zuge der militärischen Auseinandersetzung haben aber nicht nur Anleihen mit direktem Bezug zu Russland gelitten. Wie immer, in von erhöhter Nervosität und Unsicherheit geprägten Marktphasen, konnte mit der Ausweitung der Credit-Spreads sowie Aktienmarktverlusten gerechnet werden. Die Betrachtung der letzten Wochen bestätigt aber auch, dass wir es mit einer Phase der kurzfristigen Marktübertreibung zu tun gehabt haben. Die Risikoprämien (Credit Spreads) im Gesamtmarkt hatten sich zunächst deutlich ausgeweitet. Etliche von uns in der dynamischen Spreadüberwachung definierten Spreadlimite wurden dabei temporär verletzt und adhoc berichtet. Zahlreiche Emittenten mit indirektem Bezug zu Osteuropa erklommen besorgniserregende Spreadniveaus, die allesamt kritisch hinterfragt wurden. Den guten Researchquellen der KC Risk AG war es zu verdanken, dass eine faktenorientierte Aufarbeitung möglich wurde, die unüberlegte Handlungen vermeiden konnte. Auch wenn diese Marktphase viele Nerven gekostet hat, so sehen wir uns in unseren Prozessen der Bonitätsüberwachung doch bestätigt. Wir ziehen dennoch unsere Lehren aus dem aus dem Ruder gelaufenen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine und werden zukünftig noch mehr (unerwartete) Szenarien in unsere Betrachtungen mit einbeziehen. Ferner bleiben wir wachsam, da wir es noch immer mit einem erhöhten Spreadniveau zu tun haben (siehe Grafik) und eine Eskalation der wirtschaftlichen Auswirkungen nicht ausgeschlossen werden kann.

Eine Ergänzung am Rande: noch werden Nachhaltigkeitskriterien kaum in der Depot-A Portfoliosteuerung berücksichtigt. Dabei fließen die sog. E-S-G Merkmale in die Wertpapierauswahl mit ein. Das brutale Vorgehen Russlands im Ukraine-Konflikt bestätigt den schon zuvor bekannten Status eines nicht nachhaltigen Staates. Bei konsequenter Anwendung der ESG-Kriterien könnten Engagements dieser Art vermieden werden. Zur Wahrheit gehört aber sicherlich auch dazu, dass hiervon nicht nur Emittenten aus Russland betroffen wären … und ganz allgemein … im Nachhinein ist man immer schlauer. Unter aufsichtsrechtlichem Druck werden wir voraussichtlich mit ESG-Kriterien arbeiten müssen. Und wie sich jetzt herausstellt, handelt es sich dabei um einen zusätzlichen Risikoindikator.

Autor: Markus Anders – Bereichsleiter taktisches Treasury (markus.anders@kcrisk.de; 0911-235556-22)