Kundeneinlagen mit wachsender strategischer Bedeutung – weshalb diese eine zentrale Rolle im Kontext zum BFA3 Rückstellungstest einnehmen

Über die langen Jahre des Niedrigzinsumfeldes war eines gewiss – auf der Passiva gab es für die Genossenschaftsbanken kaum etwas zu verdienen – viele Produkte waren im Kern defizitär. Auch die Einführung von Verwahrentgelt hat uns hier nur unwesentlich weitergebracht, vielmehr wurden hierdurch negative Margen bestenfalls verringert. Durch den genossenschaftlichen Gedanken der Sparförderung steckten die Genossenschaftsbanken über viele Jahre in einem Dilemma.

Doch so schnell wie die Zinsen in den letzten 12 Monaten gestiegen sind, so schnell hat sich die Situation bei den Einlagen grundlegend geändert. Durch den massiven Zinsanstieg entstehen nun wieder signifikante Barwerte auf der Passivseite:

Während zu Jahresbeginn bei der Musterbank (BS 1 Mrd. €) lediglich eine Barwertreserve von 1,56 Mio. € bei den Kundeneinlagen zu verzeichnen war, ist diese infolge des massiven Zinsanstiegs um 34,02 Mio. € auf 35,58 Mio. € angestiegen.

Dieser Anstieg kompensiert teilweise die Rückgänge bei der Barwertreserve auf der Aktivseite und ist im aktuellen Zinsumfeld – vor allem im Hinblick auf den BFA3 Rückstellungstest – Gold wert.

Doch dieser Entlastungseffekt birgt umgekehrt dann besondere Risiken in sich, wenn die passivische Geschäftsstruktur sich verändert.

Problematik einer Veränderung der Passivstruktur

Im nachfolgenden Beispiel (BS 1 Mrd. €) wird unterstellt, dass die Bank wieder Zinsen auf das Geldmarktkonto bezahlt (0,25%). Aufgrund von Mitnahmeeffekten schichten Kunden in der Folge insgesamt 8,41% der Bilanzsumme um (jeweils 25% der ausgewählten Positionen). Diese vergleichsweise geringe Umschichtung zieht aber erhebliche Veränderungen nach sich:

Wie in der Grafik zu sehen, sind die Umschichtungen aus 3 Gründen problematisch:
a) die ohnehin schon geringe Nettoreserve wird nochmals massiv reduziert (-34,94%)
b) das ZÄR steigt um 14,86% (entspricht ca. 26 Mio. € 10-jähriger Festzinszahlerswaps!)
c) der Zinsaufwand steigt um 519 T€ (entspricht ca. 0,05% der Zinsspanne)

Somit wird die Bank wesentlich anfälliger für weitere Zinsanstiege. Konnte die Bank bislang einen Zinsshift von ca. 73 BP aushalten, so sind es nach der Umschichtung nur noch 41 BP (Näherungslösung: Nettoreserve/PVBP) bei deutlich schlechterer Zinsspanne.

Aktuelle Markteinschätzung Passiva:

Bislang konnten wir insgesamt noch keine größeren Einlagenabflüsse innerhalb unseres Mandantenkreises erkennen. Aufgrund der aktuell für jeden Einzelnen extrem unsicheren Lage, dürfte sich der Trend zur Liquiditätshaltung bei den Kunden verfestigen. Renditeoptimierung ist gerade in solch unsicheren Zeiten eben kein ausreichendes Argument (aus Kundensicht) für die langfristige Investition in Geldwerte. Die Konkurrenz ist zwar wieder im Bereich Geldmarktkonten aktiv; die großen Spieler am Markt (ING, DKB, Consors) halten sich mit den Konditionen aber noch zurück.

Handlungsoptionen:

Doch das wird natürlich nicht immer so bleiben; es gilt sich für eine Veränderung am Einlagenmarkt zu wappnen. Um es gleich auf den Punkt zu bringen – im Kern geht es bei (notwendigen) Konditionsanpassungen der Kundeneinlagen um ein Abwägen zwischen mehreren Übeln. Doch es gibt die Möglichkeit durch passende Konditions- und Produktpolitik die ohnehin schon bestehenden Engpässe nicht weiter zu belasten oder ggf. sogar teilweise zu entlasten.

In der folgenden Grafik lassen sich beispielsweise die Zusammenhänge von Marge und Duration zwischen den einzelnen Passivprodukten einer Bank erkennen und wichtige Schlüsse für Konditions- und Produktpolitik ableiten.

In den Überlegungen bezüglich der zukünftigen Konditionsgestaltung ist gleichwohl zwingend zu berücksichtigen, dass die Umschichtungsrisiken in diesem Artikel stichtagsbezogen dargestellt sind. In Abhängigkeit von Parametrisierung, Marktzinsentwicklung und Konditionspolitik unterliegen die Konditionsbeiträge der variablen Passiva und somit die Barwertreserven relativ starken Schwankungen. Wichtig ist hierbei, zwischen kurz- und langfristigen Effekten zu differenzieren.

Fazit:
Selbstverständlich hat der Vertrieb seine eigenen Gesetze, aber zukünftig wird der Produkt- und Konditionsgestaltung im Einlagengeschäft eine bedeutende strategische Rolle zukommen. Es ist unabdingbar, die Anforderungen aus der barwertigen Steuerung und des Vertriebes aufeinander abzustimmen. Generell sollte aktuell aber gelten:

a. Keine kurzlaufenden Festzinspositionen anbieten, d.h. keine Durationsverkürzung durch Umschichtungen herbeiführen, Mindestlaufzeit 3-4 Jahre
b. Bei Bedarf ggf. zusätzliche Ausgabe von Nachrangkapital für das mittel- und langfristige Geschäft (in Abhängigkeit vom Kapitalplan)
c. Keine Umschichtungsanreize bieten, die die Barwertreserven und oder Duration „kannibalisieren“
d. Grundsätzlich auf ausreichende Margen achten; dies gilt für Aktiva und Passiva gleichermaßen
e. Liquiditätsabflüsse im Auge behalten, Ersatz von Kundeneinlagen durch Refinanzierungen sind im Kontext des BFA3 Rückstellungstests ebenfalls kontraproduktiv

Bei Fragen zu diesem Themenkomplex stehen Ihnen unsere Berater oder ich sehr gerne zum Austausch bereit.

Autor: Ralph Freund – Bereichsleiter Strategisches Treasury (ralph.freund@kcrisk.de; 0911-235556-11)