Risiko „unkontrollierter Zinsanstieg“ – Fahrplan für die Steuerung

So schnell ändern sich die Zeiten: Nachdem wir jahrelang auf steigende Zinsen zur Stabilisierung der Ertragslage gehofft haben, entwickelt sich die derzeit extrem dynamische Zinsentwicklung zunehmend zu einem Belastungsfaktor. Die Bewertungssituation der Eigenanlagen hat sich im März nochmals deutlich eingetrübt. Die verlustfreie Bewertung des Zinsbuchs wird sukzessive – wie seit längerem befürchtet – zum echten Engpassfaktor. Insbesondere Kreditinstitute mit zu hohem Zinsänderungsrisiko und / oder massivem (ungesichertem) Wachstum im Niedrigzinsumfeld in Verbindung mit geringen Margen kommen hier schnell in die Bredouille. Zum Meldestichtag entstehen in der Folge häufig unterjährige Verluste, welche z. T. auch einen (hoffentlich nur temporären) Kernkapital-Verzehr mit sich bringen.

Der Status Quo kann somit bereits als kompliziert bezeichnet werden – dennoch müssen wir den Blick in die Zukunft wagen: Die Rahmenbedingungen sprechen nicht für ein schnelles Ende des Zinssteigerungstrends – im Gegenteil. Um die galoppierende Inflation in den Griff zu bekommen schafft die amerikanische Notenbank bereits Fakten und riskiert offenbar auch eine massive wirtschaftliche Abkühlung. Die Citigroup prognostiziert eine Erhöhung der US-Leitzinsen um insgesamt 2,75 Prozentpunkte – allein in 2022. Führende Vertreter der Fed äußern sich sehr „hawkish“ und fordern stärkere Zinssteigerungen und eine rasche Reduzierung der Bilanzsumme. Offenbar scheint auch die gefürchtete „Lohn-Preis-Spirale“ ebenfalls Fahrt aufzunehmen, wie nachfolgende Grafik verdeutlicht:

Quelle: Macrobond & Nordea / AndreasStenoLarsen@Andreas Steno via Twitter am 31.03.2022

Die Löhne in den USA wurden zuletzt deutlich nach oben angepasst (dunkelblau) – gleichzeitig lässt sich in der Vergangenheit eine hohe Korrelation zur Zinsentwicklung (hellblau) ableiten…

In Deutschland ist die Inflation aktuell auf 7,3% angestiegen – ein Niveau, welches seit November 1981 nicht mehr erreicht wurde. Damals lag der Leitzins der Bundesbank allerdings bei 11,4%, so dass die Wohlstandverluste – zumindest für die Sparer – begrenzt waren. Auch wenn dieser einfache Vergleich aufgrund struktureller Verschiebungen seither ein wenig hinkt, verdeutlicht er doch die „Einzigartigkeit“ des momentanen Umfelds.

Nachdem im Zuge des Kriegs in der Ukraine nun auch die langfristigen Inflationserwartungen anspringen – und somit eine „transitory inflation“ von den Marktteilnehmern zunehmend angezweifelt wird – steigt der Druck auf die politischen Entscheidungsträger und in der Folge auf die EZB. Letztere agiert (wie gewohnt) zögerlich, hat aber zumindest das Wording bereits angepasst und die ersten Zinsschritte in diesem Jahr in Aussicht gestellt.

Lange Rede kurzer Sinn: Bei den Notenbanken ist die Zeit des ultrabilligen Geldes wohl erst einmal vorbei und die Fokussierung auf das eigentliche Ziel – Wahrung der Preisstabilität – rückt wieder in den Vordergrund. Im Umkehrschluss bedeutet dies auch, dass man sich an den Kapitalmärkten nicht mehr auf den „Notenbank-Put“ verlassen sollte. Gleichzeitig kann aufgrund der weiter steigenden Verschuldungsquoten der Staaten davon ausgegangen werden, dass die Realverzinsung aus Sicht der Notenbanken – so wie in der jüngeren Vergangenheit – gerne negativ bleiben darf.

Quelle: Bloomberg / Holger Zschaepitz@Schuldensuehner via Twitter am 31.03.2022

Das gegenwärtige Niveau (aktuell fast -7% in Deutschland – siehe Chart oben) ist auf Dauer aber nicht vermittelbar, so dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: Die aktuelle Preisdynamik sowie die langfristigen Inflationserwartungen können eingedämmt werden oder die Zinsen werden weiter (deutlich) steigen. Aufgrund der Rahmenbedingungen weist die zweite Option eine zumindest nennenswerte Wahrscheinlichkeit auf – auch wenn die „Zombifizierung der Wirtschaft“ und die Gefahr einer Rezession sicherlich gewichtige Argumente gegen (massiv) steigende Zinsen darstellen.

Aus unserer Sicht ist es insofern alternativlos, zum jetzigen Zeitpunkt eine weitere „Zinseskalation“ in die Steuerungsüberlegungen einzubeziehen. Wir empfehlen deshalb folgende Vorgehensweise:

  1. Simulation der Szenarien +100 BP / +200 BP und Darstellung der konkreten Auswirkungen auf das Bewertungsergebnis und insbesondere auf die verlustfreie Bewertung des Zinsbuchs (BFA 3)
  2. Transparenz herstellen und Wirkungskette ableiten: Was bedeuten die Ergebnisse für die Bank auf allen relevanten Ebenen? (Ergebnisgrößen -> Kapitalplan -> Kapitalausstattung intern / extern)
  3. Ergebnisanalyse und Ableitung Maßnahmenplan der sowohl engpassorientiert als auch auf den „Schweregrad“ abgestimmt ist

Die Simulation bei +100 BP kann hierbei als einfacher Trigger genutzt werden: Sofern bereits dieses Szenario zu Ergebnissen führt, welche nicht getragen werden können (oder sollen…) ergibt sich der eindeutige Impuls, das Zinsänderungsrisiko über geeignete Maßnahmen zu reduzieren. Im Falle einer notwendigen Risikomanagement-Maßnahme gibt es hierbei kein „zu teuer“ – die Opportunitätskosten wären nämlich in jedem Fall ungleich größer. Art und Umfang werden hierbei von den Risikofaktoren determiniert, je nach individueller Situation können sowohl Stufenpläne als auch ad hoc Maßnahmen angezeigt sein.

Sollte ein potentieller Engpass erst (sehr viel) später auftreten, können die weitere Entwicklung sowie die Risikotreiber vorerst auch „nur“ eng beobachtet werden. Generell spricht aber auch in dieser Konstellation wenig dagegen, einen Teil des Zinsergebnisanstiegs seit Jahresbeginn zur Absicherung gegen weiter steigende Zinsen zu nutzen.

Wichtig in diesem Zusammenhang: Die Bedeutung der „HGB-Gestaltungmöglichkeiten“ wie Umwidmung ins Anlagevermögen etc. haben deutlich an Relevanz verloren und helfen – wenn überhaupt – nur temporär mit Blick auf den Bilanzstichtag 2022. Die absolute Steuerungsprämisse muss deshalb lauten, einen Rückstellungsbedarf aus der verlustfreien Bewertung des Zinsbuchs zu vermeiden. In diesem Fall wäre die Handlungsfähigkeit massiv eingeschränkt, des Weiteren würde jeder weitere Zinsanstieg auf direktem Wege zu einer Belastung der GuV führen. Der PVBP des Zinsbuchs ist hier die passende Sensitivitäts-Kennziffer um das Potential abzuschätzen. Grundsätzlich muss diese Steuerungsdimension vorausschauend gesteuert werden: Eine angemessene und effiziente Risikopositionierung und der Fokus auf auskömmliche und risikoorientierte Margen im Kundengeschäft sind hier die wesentlichen Eckpfeiler.

Wir wollen keine Ängste schüren – dennoch gehört es auch in solchen Phasen dazu, alle Seiten der Medaille zu betrachten: Ja, steigende Zinsen sind prinzipiell positiv zu werten – die mehrjährigen Ergebnishochrechnungen verdeutlichen dies eindrucksvoll. Wir müssen generell aber in der Lage sein, den potentiellen Sturm zu überstehen, um langfristig vom attraktiveren Investitionsumfeld profitieren zu können. Für das Szenario weiter steigender Zinsen gilt es sich – sofern noch nicht geschehen – insofern zu wappnen.

Risikoabbau muss immer dann eine Option sein, wenn es darum geht die Handlungsfähigkeit der Bank – auch in kritischen Marktphasen – nachhaltig zu bewahren! Ihr Treasury-Partner unterstützt Sie in gewohnter Weise gerne bei der Umsetzung der Handlungsimpulse.

Autor: Michael Bauer – stv. Bereichsleiter strategisches Treasury (michael.bauer@kcrisk.de; 0911-235556-42)