Adjustierungsbedarf in der Steuerung?!

Die anhaltend dynamische Inflationsentwicklung zwingt die Notenbanken weltweit zum Handeln. Nachdem die amerikanische Zentralbank (Fed) das Ende der ultralockeren Geldpolitik bereits angekündigt hat, wurde auch seitens der europäischen Zentralbank (EZB) dahingehend die Kommunikation angepasst. Die Bundesbank spricht im Monatsbericht 02/2022 von der „Neuausrichtung der Geldpolitik“.

Bereits zu Jahresbeginn kam es zu signifikanten Marktbewegungen und „Einpreisungs-Effekten“. Diese Entwicklung wurde durch den Ukraine-Krieg nur kurzzeitig ausgebremst, so dass sich für Genossenschaftsbanken diverse Fragestellungen ergeben, welche zu einer Adjustierung zentraler Steuerungsprämissen führen können. Nachfolgende Übersicht stellt die gegenwärtigen Impulse zusammenfassend dar:

Im Kreditgeschäft standen bereits vor der „geldpolitischen Wende“ verschiedene Kalkulationskomponenten im Fokus, da Wachstum „um jeden Preis“ für keine Genossenschaftsbank eine langfristig tragfähige Strategie darstellt.

Insbesondere die (steigenden) regulatorischen Kapitalkosten gilt es adäquat in der Konditionsgestaltung zu implementieren, damit die Entwicklung des Eigenkapitals mit dem angestrebten Kreditwachstum Schritt halten kann. Die Verlautbarung der BaFin zum antizyklischen Kapitalpuffer und insbesondere dem sektoralen Systemrisikopuffer hat die Relevanz kurzfristig nochmals verstärkt. Die zunehmenden Blankoquoten aufgrund der explodierenden Bau- und Immobilienpreise gilt es hierbei ergänzend zu berücksichtigen.

Viele Institute sehen in den strategischen Planungen weiterhin hohe Wachstumsraten im Kreditgeschäft – bei tendenziell moderaten Zuwächsen auf der Einlagenseite – vor. Oftmals kann die entstehende Refinanzierungslücke diesbezüglich Strukturoptimierend über einen Aktivtausch / Abbau des Eigengeschäfts geschlossen werden. Bei kreditstarken Banken ist diese Option häufig nicht mehr möglich. Der Umfang des Eigengeschäfts ist hierbei auf einem zwingend notwendigen Mindestmaß angekommen, ein weiterer Abbau würde gesetzliche Anforderungen gefährden oder gewünschte Diversifikationseffekte der Asset Allokation konterkarieren. Eine individuelle Analyse ist grundsätzlich unabdingbar (s. u. beispielhafte Darstellung)

Bei einem strukturellen Refinanzierungsbedarf muss die Frage geklärt werden, inwieweit die (zusätzlichen) Funding-Kosten in der Kalkulation berücksichtigt werden und somit auf den Kunden umgewälzt werden können. Des Weiteren gilt es die Refinanzierungsquellen sowie die Einlagenstrategie zu überprüfen.

Kreditgenossenschaften, welche Festzinsbindungen über 10 Jahre hinaus anbieten, haben seit jeher zusätzliche Kalkulationsfragen zu klären. Wir sind auf diese Thematik bereits im Kundenforum 2019 eingegangen, gleichwohl hat die Nachfrage nach möglichst langen Zinsfestschreibungen in den letzten Jahren nochmals deutlich zugenommen. Der gegenwärtige Zinsanstieg rückt altbekannte Fragen wieder in den Vordergrund, da bei neu abzuschließenden Darlehen die Kosten zur Absicherung des BGB-Kündigungsrechts – und somit implizit auch die Ausübungswahrscheinlichkeit – in der Folge ebenfalls steigen. Auch die Implementierung in der Zinsbuchsteuerung ist noch nicht flächendeckend vollzogen – mit Blick auf den generell höheren Absicherungs- und Aussteuerungsbedarf ist dies aber zwingend erforderlich. Die langen Zinsbindungen weisen einen enormen Risikohebel auf, was insbesondere die derzeit signifikant rückläufigen Barwerte im Zinsbuch schmerzhaft verdeutlichen. Die bestehenden Ansätze und Lösungsmöglichkeiten gilt es insofern in der gemeinsamen Diskussion bankindividuell abzustimmen. In diesem Zusammenhang erinnern wir gerne an eine Empfehlung aus unserem damaligen Vortrag: Sofern die speziellen Komponenten aus BGB-Kündigungsrecht und erhöhtem Zinsänderungsrisiko nicht adäquat in der Kundenkondition umgesetzt werden können, empfiehlt es sich grundsätzlich die bestehenden Angebote im Finanzverbund zu nutzen.

Nachdem der Finanzierungsbedarf parallel zur dynamischen Preisentwicklung an den Immobilienmärkten sukzessive angestiegen ist, führen die steigenden Kreditkonditionen zu einer nicht unwesentlichen Belastung der Kapitaldienstfähigkeit der Kunden. Die überdurchschnittlichen Wachstumsraten der vergangenen Jahre lassen sich daher nicht einfach in die Zukunft projizieren. Moderate Wachstumsannahmen erscheinen aktuell zielführend, um strategische Planungslasten und daraus entstehende Fehlsteuerungsimpulse („Wachstum um jeden Preis“) zu vermeiden.

Gleichzeitig werden potentiell steigende Zinsen – insbesondere, wenn die Diskussion in den breiten Medien angekommen ist – die häufig geplante Verwahrentgelt-Intensivierung deutlich erschweren. Stand heute sollte die Vorgehensweise noch nicht angepasst werden, allerdings müssen für den Fall der Fälle umsetzbare Alternativen vorhanden sein. Kurze Einlagen haben im Neugeschäft auch nach einem Zinsanstieg nur „Geldwechsel-Charakter“, insbesondere wenn Verwahrentgelte wieder zurückgenommen werden (müssen). Die nachfolgende (vereinfachte) Zinsspannen-Zusammensetzung verdeutlicht dies:

Nachdem viele Bankhäuser – wie vorher bereits geschildert – strukturellen Refinanzierungsbedarf aufweisen, ist in dieser Konstellation eine generelle Abkehr vom Dogma „Einlagen abbauen“ zu überdenken. Ggf. bieten höhere Zinsen wieder die Chance, die Passivseite über längere Einlagenprodukte zu strukturieren. Zinssätze unterhalb der Kosten für Refinanzierungen im Interbankengeschäft würden zumindest eine kalkulatorische Marge erzielen.

Grundsätzlich gilt aber: Steigende Zinsen – gerade im Zusammenhang mit einer Versteilerung der Zinsstrukturkurve – helfen sicherlich jeder „normal strukturierten“ Genossenschaftsbank. Die Ergebnishochrechnungen haben sich im Januar und insbesondere im Februar sehr freundlich präsentiert. Die erhöhten Levels sollten in aller Regel über Cashflow-stabilisierende Maßnahmen im Kunden- und Eigengeschäft genutzt werden. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass sich das Zinsänderungsrisiko im Allgemeinen und die Bewertungsrisiken im Speziellen auf einem steuerbaren Niveau befinden. Insofern ist es von fundamentaler Bedeutung, die Steuerung zu adjustieren und interne Engpassfaktoren adäquat zu berücksichtigen. Sowohl die verlustfreie Bewertung des Zinsbuchs als auch der „Return on Assets“ im Kontext des IPS-Sanierungsplans stellen hier wesentliche Eckpfeiler dar.

Risikoprämien jeglicher Art müssen dann vereinnahmt werden, wenn diese auf einem auskömmlichen Niveau notieren. Auf Basis dieses Leitgedankens sind Rahmenbedingungen zu schaffen, welche einen effizienten Einsatz des vorhandenen Risikodeckungspotentials gewährleisten. Das Verhältnis aus Risiko zu Ertrag muss stets im Fokus stehen, damit Chancen ergriffen werden können, „wenn es sich lohnt“ – im Umkehrschluss muss aber auch die Bereitschaft bestehen, in unattraktiven Marktphasen Risiken strategisch abzubauen bzw. abzusichern.

In der logischen Folge gilt es auch die Asset Allokation-Strategie im aktuellen Umfeld zu überprüfen. Sofern sich die Renditen im Rentenbereich verstetigen, kann eine anlassbezogene Kontrolle des Zielbilds eine zweckmäßige Maßnahme darstellen. Gleichzeitig muss der Status Quo den vorherrschenden Rahmenbedingungen angemessen sein. Wenn das Chance-Risiko-Profil einer Assetklasse zunehmend asymmetrisch tendiert, sollte eine temporäre Untergewichtung stets eine denkbare Alternative sein, ohne das langfristige Zielbild dabei aus den Augen zu verlieren.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Wesentliche Steuerungsaspekte und alte Glaubenssätze müssen aufgrund der sehr dynamischen Entwicklung des Umfelds derzeit neu bewertet werden. Im Ergebnis kann sich der Bedarf ergeben, bisherige Vorgaben ad hoc anzupassen. Häufig reicht es aber auch aus, umsetzbare Strategien in der Schublade zu haben, um auf alle Marktphasen mit den richtigen Maßnahmen reagieren zu können. Wir stehen hierbei wie gewohnt als unabhängiger Impulsgeber und Partner an Ihrer Seite – kommen Sie gerne auf uns zu!

Autor: Michael Bauer – stv. Bereichsleiter strategisches Treasury (michael.bauer@kcrisk.de; 0911-235556-42)