Investitionen in Corporate Schuldscheindarlehen aus Sicht einer Primärbank

In Zeiten der anhaltenden Niedrigzinsphase und dem damit verbundenen Anlagedruck kann der weiterhin boomende Markt für Corporate Schuldscheindarlehen eine interessante und einfache Möglichkeit sein, für Kreditwachstum zu sorgen. Corporate Schuldscheindarlehen werden unter der Bilanzposition A4 „Forderungen an Kunden“ bilanziert und stellen ein Kreditersatzgeschäft dar. Da der Kreditgewährungsaspekt vorrangig ist, erfolgt keine zinsinduzierte Bewertung (Bewertung zu Anschaffungskosten), Abschreibungen sind nur bei dauerhaften Wertminderungen vorzunehmen.

Als Minimum für eine Zeichnung sind in der Regel € 500.000 vorgesehen, darüber hinaus ganzzahlige Vielfache hiervon. Corporate Schuldscheindarlehen fallen nicht unter das Regionalprinzip. Insofern sind Abschlüsse von Schuldscheindarlehen auch von Unternehmen außerhalb des festgelegten Geschäftsgebietes ohne Auswirkung auf die Einhaltung des Regionalprinzips möglich.

Corporate Schuldscheindarlehen sind bei ausländischen Unternehmen jedoch nur empfehlenswert, falls nach HGB oder IFRS bilanziert wird. Es ist durch eine genaue Branchen- und Unternehmensanalyse und die Festlegung eines Mindestratings eine selektive Bonitätsauswahl erforderlich, da es in diesem Marktsegment in jüngerer Vergangenheit Insolvenzen (z. B. bei Gerry Weber (Mode) und Baukonzern Carillion) und Restrukturierungsfälle gab (z. B. Möbelkonzern Steinhoff und Aryzta Food Solutions).

In der Regel werden Schuldscheindarlehen erstrangig unbesichert ohne die Stellung von Sicherheiten begeben. Regelmäßig werden aber Non-Financial Covenants und Financial Covenants zur Risikobegrenzung der Darlehensgeber vereinbart. Financial Covenants sind bestimmte Kennzahlen in Bezug auf Eigenkapital, Verschuldung, Ertrag oder Liquidität. Als ein Beispiel für Non-Financial Covenants ist Pari Passu (Gleichstellungsklausel) zu nennen: Pari Passu stellt eine Vereinbarung dar, dass Forderungen immer im gleichen Rang mit allen gegenwärtigen, künftigen sowie nicht nachrangigen Zahlungsverpflichtungen stehen müssen.

Des Weiteren bestehen oft auch Garantien der „wesentlichen Assets“ im Konzern, falls die Darlehensnehmerin unbedeutend ist (Patronatserklärungen o.ä. der Konzernmutter für die Finanzierungstochter). Eine Verletzung der Covenants ist kein Einzelfall, wird jedoch den Investoren z. B. mit 50 BP Aufschlag p. A. auf den Kupon bei Verletzung der vorgegebenen Kennzahl für Net Debt/Ebitda versüßt.

Bei Erwerb des Schuldscheindarlehens sollte die Dauerbesitzabsicht (buy and hold) maßgebend sein, denn die Geld- /Briefspannen bei Verkäufen sind deutlich höher als bei normalen Anleihen, insofern eine Veräußerung überhaupt möglich ist. Für Schuldscheindarlehen existiert kein regulierter Sekundärmarkt (kein Börsenhandel). Ein Verkauf eines Schuldscheindarlehens ist nur im Wege der Zession bzw. Übertragung an den Emittenten möglich. Im Gegensatz zum Anleihehandel werden keine Stückzinsen bezahlt. Mit dem Tag der Abtretung (Valutatag) gehen die Rechte (Rückzahlung und Zinszahlung) auf den Übernehmer über. Am nächsten Zinstermin stehen sämtliche Zinsen ab dem Valutatag dem Übernehmer des Schuldscheindarlehens zu.

Während bei WP-Geschäften i.d.R. die Umsätze Zug-um-Zug erfolgen (Lieferung und Leistung werden über die dwp-Bank treuhänderisch abgewickelt) – ist dies bei Schuldscheindarlehen nicht der Fall (free-Geschäft). Beim Kauf eines Schuldscheindarlehens ist somit ein Kontrahentenlimit für die Zahlstelle notwendig. Die Anrechnung auf das Kontrahentenlimit erlischt erst mit der rechtsverbindlichen Bestätigung des Schuldners über das Darlehen (Schuldscheinurkunde) bzw. Bestätigung der Abtretung. Sollten Schuldscheindarlehen über den Sekundärmarkt erworben werden sind die Abtretungsanzeigen anhand der Schuldscheinurkunde auf Vollständigkeit zu prüfen. Eine Bestätigung des Schuldners ist zwingend einzuholen. Die jährliche Einholung einer Saldenbestätigung über die Zahlstelle oder den Schuldner ist notwendig. Zu beachten ist, dass bei Corporate Schuldscheindarlehen nicht immer eine eigene Schuldscheinurkunde ausgestellt wird. Hier gibt es häufig eine Sammelurkunde über die einzelnen Tranchen (Bsp. € 50 Mio.). Der Erwerber erhält dann i.d.R. ein über den Teilbetrag ausgestelltes Übertragungszertifikat der Zahlstelle.

Es besteht ein ordentliches Kündigungsrecht des Emittenten nach 10 Jahren (6 Monate Kündigungsfrist) bzw. bei variablem Kupon (3 Monate bzw. zum Zinstermin).
Um diese genannten Kündigungsrechte nach §489 BGB zu umgehen werden bei längeren Laufzeiten (z. B. bis zu 30 Jahren Laufzeit bei Immobilienunternehmen) oft Namensschuldverschreibungen eingesetzt. Bei dieser Sonderform handelt es sich um eine Schuldverschreibung die auf einen bestimmten Gläubiger ausgestellt wird. Dies führt zu einer geringen Fungibilität der Namensschuldverschreibung.

Die erforderliche Erst-Offenlegung und laufende Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse gemäß § 18 KWG erfolgt durch Erfassung (i. d. R. testierter Konzernabschluss) in agree 21 Bilanzanalyse, Prüfung der Kapitaldienstfähigkeit (Fälligkeitsprofil meist im Research enthalten) und Ratingerstellung (bis zu einer jährlichen Umsatzhöhe von 1 Mrd. € ist ein VR-Rating möglich) . Die notwendigen Unterlagen werden i. d. R. per E-Mail oder Cloud (z. B. über die kostenlose Investorenplattform Debtdomain) durch die Zahlstelle (vereinzelt durch das Unternehmen selbst) dem Investorenkreis zur Verfügung gestellt. Die Herbeiführung eines Kreditbeschlusses erfolgt analog Kompetenzen und Vorgehensweise Kundenkreditgeschäft (Höhe Blankokreditvolumen) und hat grundsätzlich ein Markt- und Marktfolgevotum zu enthalten.

Der Anteil an extern gerateten Schuldscheinemissionen nimmt zwar zu, jedoch ist der Schuldscheinmarkt ein historisch gewachsener KMU-Markt mit Firmen aus dem Investment Grade Bereich aber ohne externem Rating. Falls kein externes Rating besteht und kein internes Rating durchgeführt werden kann, ist es oft über bilaterale Verträge (Ratingdesk der DZ Bank, RSU Rating der LBBW, LB-Rating der Bayern LB und Rating der Nord LB) möglich, die internen Ratings der an der Vermarktung beteiligten Banken kostenpflichtig zu beziehen. Diese Ratings sind zu plausibilisieren (Bank muss sich gemäß BTO 1.2 Tz. 4 MaRisk selbst ein Bild machen) und die Ausfallwahrscheinlichkeit ist in die VR-Rating-Matrix überzuleiten.

Der Kreditbeschluss über die Zeichnung sollte die Vorabgenehmigung der endgültigen Kondition enthalten, da zwar mindestens an der unteren Bandbreite des Reoffer Spreads gefixt wird, aber der Mid-Swap oder Euribor zum Fixing bei Genehmigung des Kreditprotokolls noch nicht bekannt ist. Z. T. ist ein Floor vorhanden, dieser muss nicht zwingend 0 sein, siehe die Corporate Schuldscheindarlehen des kommunalen Wohnungsunternehmen Gewobag mit einem Floor von -0,15% und des Sportartikelherstellers Puma mit -0,10%.
Ein Mehraufwand ggü. dem Depot-A-Kauf (Erstoffenlegung und laufende Offenlegung sowie Kreditbeschluss) ist definitiv vorhanden, sollte jedoch grundsätzlich gut händelbar und vertretbar sein, da viele Emissionen unter Diversifikationsgesichtspunkten und aufgrund der Illiquiditätsprämie (im Vergleich mit einer Benchmarkanleihe) meistens interessant sind.

Repartierungen und eine vorzeitige Schließung der Orderbücher sind aufgrund des aktuell hohen Investoreninteresse möglich, aktuell kommen oft signifikante Aufstockungen des Termsheetvolumens vor, die Auswahl der Allokationen erfolgt hierbei durch den Schuldner.

Der Prozess, den ein Schuldscheindarlehen in der Vermarktung durchläuft, lässt sich in folgende Phasen unterteilen:

Das Schuldscheindarlehen im Vergleich

Ein Schuldscheindarlehen bietet neben zahlreichen Vorteilen auch einige Nachteile im Vergleich zu anderen Finanzierungsinstrumenten. Im Folgenden möchten wir insbesondere auf die Pro’s und Contra’s gegenüber Konsortialkrediten und Anleihen eingehen.

Vorteile:

  • Breiter Investorenkreis als bei Konsortialkrediten
  • Möglichkeit der individuellen Abstimmung zwischen Emittenten und Darlehensgeber
  • Geringe Dokumentationsaufwendungen
  • Lediglich Berichtspflichten ggü. Investoren (keine öffentliche Publizitätspflichten)
  • Geringer Zeitaufwand
  • Mindestvolumen ab EUR 20-25 Mio. €
  • Keine Notwendigkeit eines externen Ratings
  • Wesentlich niedrigere Transaktionskosten
  • Bilanzierung gemäß IFRS zu fortgeführten Anschaffungskosten und nicht zum Marktwert
  • Tranchierung in kleine Teilabschnitte möglich
  • Stabile Emissionsspreads in volatilen Marktphasen

Nachteile:

  • Fehlende Anonymität der Darlehnsgeber
  • Gesetzliche Kündigungsrechte des Darlehensnehmers
  • Nur mangelnde (gesetzliche) Vorschriften im Falle einer Restrukturierung
  • Interne Kreditanalyse eines jeden Investors erforderlich
  • Erzielung des angepeiltes Emissionsvolumen aufgrund beschränkter Informationen nicht garantiert
  • Kein liquider Sekundärmarkt
  • Eigentumsübertragung nur mittels Zession möglich
  • Höhere Bandbreite im Reoffer-Spread aufgrund einer längeren Vermarktungsdauer
  • Weitgehend intransparenter Markt

Quelle Vor- Nachteile Nord LB Fixed Income Research