Kaufen oder doch besser zeichnen? Der Blick auf den Primärmarkt

Der Großteil unserer Transaktionen findet auf dem Sekundärmarkt statt. Dennoch sollte der Primärmarkt nicht vernachlässigt werden. In illiquiden Marktphasen, in denen die meisten Marktteilnehmer und auch die EZB den Markt „leerkaufen“, kann eine Zeichnung am Primärmarkt sinnvoll sein.

Nachdem die geplante Neuemission die Vorbereitungsphase durchlaufen hat, folgt der wichtigste Teil, die Platzierung. An der Platzierung sind mindestens vier Parteien beteiligt: der Emittent (Schuldner), die Konsortialbanken, der Investor und die Zahl- und Verwaltungsstellen.

Am Vormittag erhalten wir die Informationen über anstehende Neuemissionen mit folgenden Inhalten:

  • Emittent
  • Rating (Emittentenrating und/oder Emissionsrating)
  • Typ/Rang (Senior Preferred, Senior Non Preferred, Covered etc.)
  • Laufzeit/Fälligkeit & Kuponformel
  • Erwartung von LCR und Notenbankfähigkeit
  • Emissionsvolumen, Währung & Valuta
  • Spread in Form von Initial Priced Target (IPT)= erwartetes Spreadniveau
  • Stückelung, Listing und Zielmarkt

Danach werden die Bücher geöffnet und Zeichnungsaufträge können bei den beteiligten Kontrahenten, die nicht notwendigerweise im Konsortium sein müssen, in der Regel bis zum späten Vormittag abgegeben werden. Auch hier gilt die Prämisse; möglicher Vorteil einer höheren Zuteilungsquote bei breiterer Kontrahentenbasis. Anschließend erfolgt die Zuteilung (Zuteilungshöhe) und das Pricing der Neuemission.

Als ausgelagerte Handelsstelle sind wir von Orderplatzierung bis hin zur Zuteilung für den Zeichnungsprozess zuständig. Darüber hinaus überwachen wir ausgewählte Neuemissionen und haben somit den Blick auf die Entwicklung der Platzierungen am Sekundärmarkt:

  • Vergleich IPT (=erwartetes Spreadniveau) zum ReOffer Spread (Emissionsspread) -> wie hat sich das Spreadniveau entwickelt? Im aktuellen Jahr hat sich der IPT gegenüber dem ReOffer Spread im Durchschnitt um 15% eingeengt z.B. Ankündigung Spread Mid-Swap + 60 BP -> Emissionsspread Spread Mid-Swap + 51 BP
  • Vergeich ReOffer Spread zum aktuellem Geld-Spread am Sekundärmarkt
  • Emissionsvolumen zum Zeichnungsvolumen bei Buchschließung -> wie hoch war das Interesse an der Neuemission? Im aktuellen Jahr waren die Bücher im Durchschnitt mehr als 2,5-fach überzeichnet, z.B. Emissionsvolumen bei 1 Mio. Euro -> Zeichnungsvolumen bei Buchschließung bei 2 Mio. Euro

Daraus lassen sich zwei wichtige Aspekte ziehen. Zum einen ist das Spreadlevel bei der Emission i.d.R. niedriger als bei der Ankündigung. Natürlich sind Faktoren wie Emittent, Deckungsart, Laufzeit, aktuelles Spreadniveau der ausstehenden Anleihen des Emittenten, aber auch die Nachfrage nach der Neuemission für die Höhe der Differenz zwischen IPT und ReOffer Spread entscheidend. Des Weiteren, ist das Interesse der Investoren bei den meisten Neuemissionen höher als das geplante Emissionsvolumen. Eine Teilzuteilung des gewünschten Volumens ist möglich.
Unsere Erfahrung hat uns gezeigt, dass sich eine Zeichnung als vorteilhaft erweisen kann. Sobald die Neuemission am Sekundärmarkt gehandelt wird, ist die Tendenz der Kurse für Käufer im Vergleich zum Emissionskurs eher nachteilhaft, vor allem in den ersten Handelsstunden. (Marktbewegungen sind hier nicht berücksichtigt). Gleiches gilt für die Liquidität, insbesondere wenn die Bücher bereits überzeichnet sind.

Unser Fazit: die Zeichnung ist ein durchaus interessantes Instrument.

Autor: Cem Dalgic – Mitarbeiter Handel der KC Risk AG (cem.dalgic@kcrisk.de; 0911-235556-34)