2023 als 2. Akt der Zinswende: „Die Konfrontation“

Silicon Valley Bank, First Republic Bank, Credit Suisse – die Liste der Bankenpleiten, welche im Kontext der historischen Zinswende im Jahr 2023 beobachtet werden mussten, könnte noch weitergeführt werden. Auch wenn die Schieflage dieser Häuser – insbesondere bei der schweizerischen Großbank – nicht ausnahmslos durch den massiven Zinsanstieg bedingt war, wurde in diesem Jahr dennoch deutlich, wie fulminant die Folgewirkungen des historisch einmaligen Kapitalmarktumfelds für Risiko- und Liquiditätsmanagement im Extremfall ausfallen können.

Der Blick auf die konkreten Risikofaktoren der betroffenen Banken sind hierbei ein hervorragendes Exempel für die „Don‘ts“ in der Banksteuerung:

  • Ausweitung des Zinsänderungsrisiko im unattraktiven Niedrigzinsumfeld
  • Keine aktive bzw. angemessene Risikosteuerung
  • Zu umfangreiche Dotierung des „Anlagevermögens“, da Bewertungseffekte (aufgrund zu langer Duration) nicht realisiert werden konnten
  • Ungünstiges Verhältnis aus Eigenkapitalausstattung und offensiver Risikopositionierung
  • Juristisch fast ausschließlich täglich fällige Einlagen
  • Zu geringe Granularität der Einlegerstruktur
  • Zu träges Zinsanpassungsverhalten hinsichtlich der Weitergabe erhöhter Zinsen

Toxisch ist insbesondere eine Mischung dieser Aspekte, welche sich gegenseitig aufschaukeln und in einer fatalen Kettenreaktion enden können:

  1. (Groß)Einleger ziehen aufgrund einer zu geringen Verzinsung ab.
  2. Stille Lasten aus dem Anlagevermögen müssen zur Kompensation des Liquiditätseffekts realisiert werden.
  3. Die Verluste übersteigen die Kapitalausstattung der Bank.

Die Voraussetzungen für ein potentielles Horrorjahr 2023 waren also durchaus vorhanden, insbesondere da konstatiert werden muss, dass sich als Folge der jahrelangen Nullzinsphase auch bei Volks- und Raiffeisenbanken (zwangsläufig) suboptimale Konstellationen in Risiko- und Bilanzstruktur aufgebaut haben. Hauptaufgabe war insofern, nachfolgende multiple Herausforderungen aktiv zu steuern, um eine nachhaltige oder gar existenzgefährdende Belastung der Ertrags- und Liquiditätslage zu vermeiden:

Das Einlagen- und Liquiditätsmanagement war und ist übergeordnet weiterhin Fokusthema in der Steuerung (siehe hierzu: Einlagenartikel aus letztem Newsletter). Die verwobenen Steuerungsdimensionen und zahlreichen Risikofaktoren erfordern auch zukünftig eine ausgeprägte(re) Risikoorientierung. Gleichwohl durften und dürfen die Chancen des aktuellen Marktumfelds nicht vergessen werden. Es bestehen derzeit hervorragende Möglichkeiten, die Ertragslage der Banken langfristig zu stabilisieren bzw. Risiken im Zinsaufwand vorausschauend zu begrenzen. Des Weiteren sollte verstärkt ein Augenmerk auf das Szenario fallender Zinsen geworfen werden. Insbesondere da dieses „ungemanagt“ zunächst wohl eine stärkere Belastung der Ertragslage ergibt als die Simulationsergebnisse laut Zinsmanagement vermuten lassen.

Aus der Filmwissenschaft stammt die Idee, eine Geschichte in 3 Akte zu gliedern. Eine übliche Aufteilung ist hierbei das Modell von Syd Field, der in Amerika lange Jahre Drehbuchautoren ausbildete:

  • Teil 1: Exposition (darin: auslösendes Ereignis)
  • Teil 2: Konfrontation (darin: zentraler Wendepunkt)
  • Teil 3: Auflösung (darin: der Höhepunkt)

Quelle: Theorien der Dramaturgie, Teil 1 von 3: Das Drei-Akte-Modell | Seelenworte (thomas-michalski.de)

Nachdem das Jahr 2022 aufgrund des Zinsschocks (als auslösendes Ereignis) insbesondere von risikobegrenzenden ad hoc-Maßnahmen und der „Gestaltung“ des Jahresabschlusses geprägt war, musste in diesem Jahr – in der Konfrontation – mit zahlreichen Herausforderungen deutlich vielschichtiger agiert werden. Übergeordnet wird der potentielle 2. Teil der Trilogie gegenwärtig sehr erfolgreich bewältigt, so dass die geringe Eigenkapital-Dotierung aus dem Vorjahr meist (zumindest teilweise) kompensiert werden kann.

Die Folgen der Zinswende werden uns sicherlich auch 2024 noch intensiv beschäftigen. Sofern sich diese tatsächlich als Trilogie präsentiert, wäre der „finale Akt“ – die Auflösung inkl. Höhepunkt – noch offen. Es wird sich wohl herausstellen, ob die Marschrichtung mittelfristig „Zurück ins Niedrigzinsumfeld“ oder „Higher for longer“ sein wird. Da für beide Drehbücher gute Argumente vorherrschen, muss wie immer die Zielsetzung sein, durch eine ganzheitliche und prognosefreie Steuerung in beiden Varianten abschließend ein „Happy End“ feiern zu können.
Gerne begleiten wir Sie auf diesem herausfordernden Weg! Sprechen Sie uns bei Bedarf gerne an.

Allen aktiven Wegbegleitern wünschen wir einen ruhigen Jahresschluss sowie erholsame Feiertage. Vielen Dank für das partnerschaftliche Miteinander sowie das entgegengebrachte Vertrauen im Jahr 2023!

Autor: Michael Bauer – Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung der KC Risk AG (michael.bauer@kcrisk.de; 0911-235556-42)