Jahresabschluss frühzeitig und strukturiert planen

2022 wird mit Sicherheit als eines der außergewöhnlichsten Geschäftsjahre in die Annalen der genossenschaftlichen Kredithäuser eingehen. Wer hätte sich vor wenigen Monaten vorstellen können, dass wir gegenwärtig mit einer flachen Zinsstrukturkurve und einem Zinsniveau von ca. 3% konfrontiert sein werden? Im Zuge des inflationären Schocks müssen die Institute nun rekordhohe Abschreibungen, einen Engpass in der verlustfreien Bewertung des Zinsbuchs und eine daraus resultierende, schmerzhafte Belastung der Thesaurierungsfähigkeit managen.

In dieser Gemengelage ergeben sich zahlreiche Implikationen für die Planung des Jahresabschlusses. Neben der Ergebnisgestaltung geht es insbesondere darum, die Grundlagen zu legen, in den kommenden Jahren den diesjährigen „Einschlag“ kompensieren zu können.

Insofern muss in diesem Jahr die Vorbereitung des Stichtags 31.12. frühzeitig initiiert werden. Es gilt, den konkreten Handlungsbedarf alsbald zu erkennen und die damit verbundenen Optimierungen vorzubereiten.

Nachdem die Stoßrichtungen extrem vielschichtig sind, ist eine strukturierte und stufenweise Vorgehensweise angezeigt.
Wir empfehlen hierbei folgende Schritte:

1. Weiterhin erscheint am Markt „alles möglich“ – insofern ist zu Beginn der Planung ein Update der Szenarioanalyse (vgl. Risiko „unkontrollierter Zinsanstieg“ – Fahrplan für die Steuerung – KC RISK AG) angezeigt -> Zielsetzung: Risikoprofil nochmals überprüfen und ggf. Risiken abbauen, sofern die Simulation zu „nicht darstellbaren Ergebnissen“ führt

2. Definition und Ermittlung der maximalen Abschreibungstoleranz
a. Aus dem laufenden Ergebnis
b. Aus weiteren Eigenkapital-neutralem Deckungspotential (freie 340f-Reserven / neue Nachränge)
c. Aus Eigenkapital-Bestandteilen (insb. gebundene 340f-Reserven / 340g-Reserven im Notfall und bei ausreichendem Spielraum)

Ermittlung des max. Abschreibungspotentials - Beispiel

3. Ermittlung des aktuellen Abschreibungsbedarfs

4. Analyse Status Quo in der verlustfreien Bewertung des Zinsbuchs unter Berücksichtigung bereits geplanter Maßnahmen (z. B. Auflösung positive Marktwerte Derivate) + einem Sicherheitspuffer für einen weiteren Zinsanstieg bis zum Jahresende

5. Zusammenfassende Simulationsrechnung: Auswirkung unterschiedlicher Abschreibungshöhen auf verlustfreie Bewertung des Zinsbuchs / Ergebnis / Eigenkapital

6. Ableitung zielgerichteter Maßnahmen

Wir werden die Situation mit unseren Mandanten im Rahmen der Jahresabschlussplanung individuell analysieren. Die Maßnahmenableitung ergibt sich in der Folge aus dem bankinternen Risikoprofil und den Bedürfnissen hinsichtlich der nachfolgenden Zieldimensionen:

Die Liste an denkbaren Maßnahmen ist lang. Eine Aufzählung bzw. Beschreibung würde an dieser Stelle zu weit führen, insbesondere da die Relevanz aufgrund der jeweiligen Engpassfaktoren und Gegebenheiten unterschiedlich gelagert ist. Im Ergebnis wird in den meisten Fällen eine Mischung der diversen Optionen zielführend sein.

Folgende allgemeingültige Empfehlungen können dennoch festgehalten werden:

  • Umwidmungen ins Anlagevermögen stellen in aller Regel die Ultima Ratio dar
  • Die Option „Verluste realisieren“ darf nicht wahllos gezogen werden, sondern muss mit weitergehenden Optimierungsüberlegungen kombiniert werden

Häufig werden umfangreiche Maßnahmenpakete erforderlich sein. Es ist angezeigt, diese sukzessive in die Umsetzung zu bringen. Einerseits um Timing-Risiken zu reduzieren, anderseits um eine Abwicklung auch gesichert zu gewährleisten. Beispielsweise kann niemand abschätzen, wie es um die Liquidität an den Märkten zum Jahresende bestellt ist.

Ein außergewöhnliches und kaum planbares Geschäftsjahr biegt auf die Zielgerade ein – lassen Sie uns gemeinsam für einen strukturierten Abschluss sorgen, welcher die Voraussetzungen schafft, an den entstehenden Chancen partizipieren zu können.

Autor: Michael Bauer – Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung (michael.bauer@kcrisk.de; 0911-235556-42)